International 14 European Championship 2009
Dieses Jahr fand die Europameisterschaft der International 14s in Scheveningen, Holland statt. Obwohl die Fourteen-Familie noch keine aktive Flotte im „oranje Trikot“ hat, entschieden wir uns im letzten Jahr auf dem World-Council-Meeting in Warnemünde für das anspruchsvolle Revier auf der Nordsee. Die Idee die maßgeblich dahinter stand, war die britische und die deutsch Flotte auf einem klasse Revier in der Mitte zusammen zu trommeln, um in dem Jahr zwischen den beiden WMs eine gute EM zu Stande zu bringen. Und dazu schlossen wir uns einer der größten Dickschiffregatten Europas an, der Delta Lloyd North Sea Regatta 2009 vom 29. Mai bis zum 1. Juni. Uns erwarten sollte eine brandneue Marina, die auch für Jollen gut geeignet sein und uns den Genuss der garstigen Nordsee näher bringen würde. Also auf nach Holland!
Olli und ich wollten schon einige Tage vorher anreisen, da mein Frühjahr komplett ins Wasser gefallen war und so die Euro meine erste Regatta in dieser Saison werden sollte. Ein wenig Training schien daher angebracht – schließlich erwartete uns nicht die zart besaitete und geschützte Ostsee, sondern die offene Nordsee mit ordentlich Strom und richtig Druck in der Luft, denn das Tief über dem Nordatlantik walzte sich bereits am Abreisetag gnadenlos in Richtung Rotterdam und Den Haag – ohhhh hauahaua ha! Ibubrofen 600 und die guten ABC-Pflaster standen neben einer frischen Bestellung Schowas von Eike ganz oben auf der Liste!
Mitten in der Nacht von Samstag auf Sonntag kamen wir in Scheveningen an und stellten uns – für die spektakulärste Jollenklasse der Welt standesgemäß – erstmal mitten auf den späteren Partyplatz der Nordseewoche – getreu nach dem Motto: „Leute seht her, wir bringen Euch das Feuer und das Rad!“ Na ja so krass war es natürlich nicht – direkt neben uns standen einige sehr klasse ausgebaute Formula18 Kats, die aber anscheinend auch noch nichts von einem International 14 gehört hatten. Nach einem ersten „Happy Landing Drink“ am Hänger stiefelten wir sogleich in die Hafenkneipe, um einen ersten Kontakt mit dem gemeinen Holländer aufzunehmen – hääärlich – dieser Schachzug war Gold wert! Mit einer herzlichen Einladung zu frischer Fischsoup und viel lecker Bierchen schnackten wir mit den witzigen und irgendwie kaputten Locals übers Segeln, Strömung und Wind vor Scheveningen. Mit der Zeit füllte sich immer mehr die oberhalb der Marina gelegene alte Hafenkneipe mit Seglern, die gerade ein Long-Distance-Rennen von England hierher nach Scheveningen gemeistert hatten. Der Laden war bald rappelzappelvoll mit übermüdeten Gestalten in Ölzeug, die jetzt ihren krawalltigen Bierdurst – bei Tiefstpreisen – mit demselbigen Getränkt zu stillen versuchten – alles richtig gemacht, gladde Ains!
Am Sonntag aufgewacht läuteten wir unser Training vor der Euro ein. Wo is denn hier die brandneue Marina? Wo sind denn hier die Toiletten und die Duschen? Wo is denn hier der nächste Bäcker? – Und gibt’s irgendwo wie versprochen WLAN? Kleine Fragezeichen huschten über unsere Gesichter. Die Formula18 Segler sagten uns, dass da hinten wohl ein Strandabschnitt sei, auf dem die Boote stehen sollten. Ach der Strand direkt neben dieser Kifferbude – is richtig! – Vertrauenserweckend! Und die neue Marina? – Ach so, das sind die Gebäude, in denen die Handwerker noch mit der Toiletten- und Duschinstallation zu kämpfen hatten – ah ha?!?! Oh man, oh man… hier war anscheinend noch nichts richtig fertig!
Na ja, Trinity war schnell aufgebaut und wir bastelten noch ein wenig. Wir brachten sie an den „Kifferstrand“ und den Van parkten wir in sicherer Sichtweite gleich oberhalb vom Strand an die Straße, gegenüber den – jetzt bei Tageslicht sichtbaren – Rohbauten der „brandneuen“ Marina… Wir verbrachten den Tag schließlich mit Einkäufen, erkundeten die Gegend nach Segel- und Jollenzubehör und richteten uns auf unserem neuen Platz mit Strandblick entsprechend ein. Am Abend ging’s dann anstatt in die Hafenkneipe auf die bekannte Promenade in Scheveningen – quasi der Ballermann Hollands – nur noch viiiel fertiger! Offen einsehbare Pissoirs direkt auf der Strandpromenade vor nem 5-Sterne-Hotel – Richtig! – eine Prollkarre jagt hochtourig die andere… eben das volle Vollassi-Programm! „Jens, ich sach Dir, das kommt alles von der Kifferei hier!“ Richtig cool sind allerdings die riesigen Beach-Clubs, die sich an der Promenade aneinanderreihen. Entspannt bei GinTonic und WoddiBull genossen wir die letzten Sonnenstrahlen. Geiler Abend – morgen geht’s aufs Wasser – endlich mal wieder Segeln!
Ein paar Stunden später: „Hey Jens, da glättet jemand den Strand!“ Ich wachte auf – „Hääääää?!?“ – Olli hatte Recht. Im ernst, da zog im Morgengrauen irgend so eine kaputte Gestalt einen großen Holzbalken über den Strand – drehte den Balken sorgsam am Ende des Strandes um und zog ihn dann wieder zurück – immer wieder – hin und her – ohne jeglichen Sinn erkennbar. Noch schlaftrunken glotzen wir beide aus dem Van und es verging eine Weile der stillen Faszination… „Olli, das muss so ne Therapie sein, damit der wieder klar kommt!“ „Ich sach Dir Jens, dass kommt alles von der Kifferei!“ – Wir drehten uns schließlich um und pennten noch ne Runde… Das war ganz großes Kino!
Die Vorhersage verhieß nichts Gutes, das Tief sollte bereits morgen Holland erreichen und sowohl Sturm als auch Regen mit sich bringen. Also raus aufs Wasser! Es waren traumhafte Bedingungen – perfekt für mich um wieder rein zu kommen! Wir waren sicher 4 Stunden draußen, spulten fast unser ganzes Trainingsprogramm runter und überraschten zum Schluss noch einige holländische Formula18s, wie schnell doch so ein – ihnen völlig unbekannter – Fourteen ist!
Am Dienstag kamen Georg und Eike mit ihrem brandneuen Ovi. Wir bastelten uns eine schöne Wagenburg und tüdelten gemeinsam den Tag über an unseren Booten – der Wind nahm spürbar zu und an Segeln war schnell nicht mehr zu denken. Über die Mole spritzen die Wellen mit hoher Gischt – da draußen war bereits mittags richtig Alarm! Keine Chance, ob Strom mit Wind und schon gar nicht Strom gegen den Wind – hier war über Nacht ein blubbernder Hexenkessel vor der Haustür ausgekippt worden! – Nun gut, eben Plan B – wir naschten mit den Jungs ein paar Bierchen mehr und erzählten lustige Geschichten vom Mokel der den Strand glättet! Wie das Timing nicht hätte besser sein können, tauchte die Gestalt auch prompt wieder auf und glättete mit Bedacht und Sorgfalt den Strand! Wir waren schwer begeistert und prosteten ihm schmunzelnd aus der Ferne verhalten zu! Und Olli warnte uns als Ältester: „Jungs, schaut’s Euch an – das kommt alles von der Kifferei!“
Mittwoch und Donnerstag verliefen ähnlich. Der Strand füllte sich schnell mit weiteren Fourteens aus Deutschland und England. Leider kam jedoch kein Fourteen unserer französischen, dänischen oder schweizer Freunde nach Scheveningen. Zum starken Wind kam nun auch noch der Regen. Um dem Sturm zu Trotzen, bastelten wir uns mit Mark und Edda einen klasse Unterschlupf mit direktem Blick auf die Hafeneinfahrt. An 14seglen war definitiv immer noch nicht zu denken, jedoch kämpfte sich von Zeit zu Zeit ein Dickschiff oder Motorboot in die Hafeneinfahrt – astreines Hafenkino – und bewaffnet mit Fernglas und Feierabendbierchen ein Specktakel par excellence.
Ein erster Höhepunkt war ein 30m langer Trawler, der voll mit bis zum Scheitel dichtgesoffenen Hochseeanglern in die Hafeneinfahrt versuchte einzumanövrieren. Mit Ansage ging das Ding so richtig schief! Der Dampfer fuhr bei dem starken Wind einen zu großen Radius und schrammte schön an drei Päckchen Rennjachten vorbei. Der mächtige Stahlrumpf drückte sich schmerzvoll in die außen liegenden Jachten. Aus sicherer Entfernung beobachteten wir, wie einer der Segler bei dem Crash auf den Trawler sprang, um im lauten Geschrei dem Kapitän von dem Eimer eins so richtig aufs Maul zu hauen – joaa sichaaa, Vollgas!
Allmächtiger – der richtige Höhepunkt kam jedoch erst in der Nacht! Das Tief erwischte jetzt Rotterdam und Den Haag mit voller Wucht! Die Nacht wurde im wahrsten Sinne des Wortes durch das Blitzgewitter zum Tage! So etwas habe ich noch nie erlebt – es knallte mit voller Wucht direkt über uns! Zum Glück blieben alle Boote unversehrt! Wirklich ein Wahnsinn, mit welcher enormen Energie sich dieses Megagewitter über uns entladen hat – selbst der Mokel ließ sich weder am Abend noch am Morgen am Strand blicken – sein Holzbalken und seine Pflichterfüllung blieben auf der Strecke – und das will was heißen! Ollis Kommentar zum Gewitter und dem Crash: „Jungs, glaubt mir – das mit dem Gewitter und dem Crash – jetzt na – das kommt alles nur durch die ganze Kifferei hier in Holland!“
Das Hallo mit den bekannten deutschen Gesichtern und natürlich auch mit den britischen Freunden war groß! Der Donnerstag wurde von allen hauptsächlich für einen letzten Bootscheck genutzt. Nur wenige Teams machten vor dem ersten Wettfahrttag noch einen letzten Probeschlag. Das sich bessernde Wetter bestätigte die Wettervorhersage, die auch für den ersten Wettfahrttag und die darauf folgenden Tage zum Glück endlich wieder segelbare Bedingungen ankündigte.
Endlich ging es los! Es waren 26 Fourteens am Start. Für den Freitag waren 2 Races geplant und die Meute lief mit etwas Verspätung in Richtung unserer Sailing-Area aus. Bei Sonnenschein und 10-15 kn Wind frischte es zwischendurch immer mal wieder etwas auf. Das hört sich zwar nicht so viel an, aber mit dem heftigen Strom waren es für den Fourteen wirklich sehr anspruchsvolle Segelbedingungen. Der den Tag über sich regelmäßig um 180 Grad drehende Strom war schwer mit Wind und Welle in den Griff zu bekommen. Dennoch – oder vielleicht sogar gerade deswegen – erzielte die deutsche Flotte am ersten Tag ein super Ergebnis. Stefan und Dominik segelten auf Platz 5, direkt gefolgt von Georg und Eike. Leider kenterten wir zweimal, wurden von ganz vorne schön durchgereicht und kämpften uns schließlich auf den 8 Platz ins Ziel. Mist da wäre noch einiges mehr drin gewesen – dennoch für das erste gemeinsame Rennen von Olli und mir in diesem Jahr gar nicht so übel! Im zweiten Rennen des Tages gelang es uns wieder den Strom richtig zu lesen und kenterten diesmal nicht – Rock on Rocket – wir kamen als dritte hinter Tom und Alister ins Ziel! Leider hatten Stefan und Dominik riesiges Pech. Sie brachen sich einen Pinnenausleger und konnten diese Wettfahrt nicht zu Ende segeln. Dafür meldeten sich Mark und Edda sowie Peter und Ole unter den Top Ten! Wieder ein super Ergebnis der deutschen Flotte, die international über die letzten Jahre in der Breite spürbar an Qualität zugelegt hatte! Obwohl wir nur 2 Wettfahrten gesegelt waren, war doch jeder an Land froh, dass der Tag vorbei war. Es war wirklich hart bei diesen Bedingungen den Fourteen zu bändigen und mit Welle und Strom klarzukommen.
Samstag und Sonntag waren jeweils 3 Rennen angesagt und jedem war bewusst, dass beide Tage bei diesen anspruchsvollen Bedingungen richtig anstrengend werden würden! Also Vollgas – lasst uns spielen gehen! Der Wind legte am Samstag noch etwas zu, was Olli und mir entgegenkam, mit den Plätzen 3, 2 und 4 waren wir erneut super zu frieden. Alister legte mit den Plätzen 1, 1 und 2 einen glänzenden Tag hin. Mit Douglas und Tom kristallisierten sich dann so allmählich die Kandidaten um die ersten drei Plätze heraus. Nach dem 5. Rennen führte klar Alister, danach kamen Douglas und Tom mit jeweils 10 Punkten und mit 12 Punkten schon wir. Und erneut meldeten sich einige Deutsche unter die Top 10 – sehr geil! Stefan und Dominik sowie Georg und Eike belegten mit 2 fünften Plätzen sowie einem 7. und 8. Platz ihr Können vom Vortag und, dass beide Teams hier richtig schnell unterwegs waren. Heute kamen auch Stefan und Benjamin gut in Schwung. Sie bewiesen mit 2 siebten Plätzen, dass sie ebenfalls ein sauber eingespieltes Team sind. Mit Jörn und Sebastian sowie erneut Mark und Edda, die jeweils an diesem Tag einen 10. Platz hinlegten, konnte sich insgesamt die Deutsche Flotte an Land mehr als sehen lassen!
Gleiche Bedingungen wie am Samstag erwartete die Flotte auch am Sonntag, wobei das letzte Rennen am Tag doch etwas – sagen wir mal – speziell war. Die bisherigen Kandidaten für die ersten Plätze waren erneut vorne. Herausragend war jedoch jeweils ein 5. Platz von Stefan und Benjamin sowie – man höre und staune – von Peter und Ole in den Rennen 7 und 8. Auch Lutz und Stefan erreichten die Top Ten! Das 8. Rennen ging bei uns richtig in die Hose! Nachdem wir schön jedem gezeigt hatten, wie man auf der Startlinie kentert, und wir hinter allen endlich uns dann doch dazu entschlossen hatten los zu eiern, Anschlag links fuhren und wider Erwarten auf einmal alle im Fenster hatten, wurden wir dann schließlich doch durch einen weltklasse Windstrich auf der rechten Seite und einem ganz entspannten 40 Grad rechts Dreher wieder auf unsere verdiente Startposition zurückverwiesen. Keine Gnade – 50 Meter vor der ersten Luvboje standen wir mit einigen anderen schön in der Flaute. Kurz vorm Überrunden und nach einer gefühlten Ewigkeit zogen wir schließlich – ohne die erste Marke gerundet zu haben – den Spi in Richtung Heimat… Dumm gelaufen – wir hatten unseren Streicher!
Für den letzten Wettfahrttag blieb es spannend. Einzig Alister war klar vorne und war nur noch theoretisch von dem Europameistertitel entfernt. Allerdings war der Kampf um den zweiten und dritten Platz noch nicht entscheiden. Douglas, Tom und wir waren nur wenige Punkte auf den Plätzen 2, 3 und 4 auseinander, wobei wir durch das achte Rennen einen 8. Platz in die Wertung nehmen mussten. Kurioserweise waren nämlich zwar 10 Wettfahrten ausgeschrieben, jedoch insgesamt nur ein Streicher vorgesehen. Aber es sollte nicht sein, wir kenterten im 9. Rennen auf einem zweiten Platz liegend und wiederholten diesen Spaß dann noch einmal auf der nächsten Runde. Ach ja, zwischendurch verpasste ich auch noch den Trapezhaken und verabschiedete mich zum Erstaunen von Olli mit einer Rolle rückwärts. Freundlich begrüßte er mich nach meiner Schwimmeinlage mit den Worten: „Ohne Dich macht das hier irgendwie keinen Spaß – lass mal lieber zu zweit weitersegeln…“ Mist, erneut ein dickes Ding in der Wertung, damit war der dritte Platz leider endgültig passé! Glücklicherweise konnte uns in der Wertung nach hinten nichts mehr passieren, so dass der 8. Platz im ersehnten letzten Rennen dieser wirklich harten Serie nichts mehr ausmachte. Nicht zu vergessen sind jedoch erneut die Leistungen von Georg und Eike sowie Stefan und Dominik, die souverän mit zwei siebten sowie mit zwei zehnten Plätzen sich im Gesamtergebnis auf Platz 8 und 9 behaupteten. Zuletzt noch ein Wort zu unseren Youngsters, die grandios nicht nur den Riva Cup-Scheveningen-Marathon meisterten und fast die gesamte Flotte jeden morgen mit frisch aufgebackenen Brötchen im eigens mitgebrachten Gasherd beglückten, sondern auch zum Schluss dieser Serie so richtig ins Rollen kamen! Mit den Plätzen 11, 12 und 15 zeigten Sie, dass Sie offensichtlich nur noch Schwierigkeiten bei der Umstellung vom sonnigen Wetter am Gardasee auf das raue Nordseeklima hatten!
Beachtenswert bleibt, dass insgesamt acht verschiedene deutsche Teams es schafften unter die Top Ten zu segeln und davon sogar 3 Teams diese Platzierung im Endergebnis versilbern konnten. Meiner Meinung nach ist das eine richtig klasse Leistung, die das Ergebnis einer jahrelangen guten Aufbauarbeit der deutschen Flotte ist und nicht zuletzt ihre Bestätigung in einem tollen Zusammenhalt – auf dem Wasser wie an Land – wieder findet!
In genau diesem Sinne: Imitations come and go – but Fourteens are forever!
Euer Jens
GER 91, Trinity